Das unter den eigenen Bildern viele andere liegen, das fühlen wir alle, oder? In ‚the drain‘ von 1989 bezieht sich Jeff Wall auf ‚Le Pont de Maincy’ von Cézanne und sucht “… a secret recall of that Heimlichkeit which resides in all Unheimlichkeit, an unconscious encounter with something déjà-vu.“ (Thierry De Duve, The Mainstream and the Crooked Path, siehe: http://www.rhizomes.net/issue23/debolle/index.html)
Tolles Bild, die Körperhaltung der fast Entfliehenden ist einfach genial! Tatsächlich finden sich diese zwei Mädchenfiguren bei Cézanne nicht – Wall kopiert nicht sondern aktualisiert die zugrunde liegende Gefühlswelt. Über dieses Foto legt sich bei mir noch ein drittes Bild: 16 Jahre später wird Wall’s Arbeit in einer Werbung der Schweizer Bundesbahnen weitergesponnen, das Unheimliche muss einer gefahrlosen ‚Entdeckung’ weichen und am Ende des Tunnels ist kein dunkles Geheimnis mehr sondern nun – ganz marktkonform – Licht.
Jeff Wall ‚the drain‘ 1989 – SBB Werbung ‚Entdeckung‘ 2005
Was passiert mit unseren Gefühlen, wenn die ihnen zugrunde liegenden Denkbilder funktionalisiert werden? Können wir unseren Erinnerungen noch trauen, oder vermischt sich persönlich Erlebtes und Entliehenes im Rückblick? Ich erinnere mich doch an solche faszinierend dunklen Orte aus meiner Kindheit, wie viel davon ist Filmszene, Kunst, Werbung?
Elisabeth Bronfen diagnostiziert 2000 in Der Zeit, dass unsere Wahrnehmung von Welt zunehmend von wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Rationalitäten überformt wird. Der Jargon klingt heute schon historisch, aber die Kernaussage würde ich immer noch unterschreiben: In der Arena der Öffentlichkeit finden Deutungskämpfe statt, es werden Denkreviere abgesteckt, Anschauungsmetaphern von Konzernen oder anderen Interessengruppen besetzt. Dies erleben wir als verhängnisvoll, „da unsere Realität zwar keine Metapher ist – diese Realität dennoch nur im Heer mobiler Denkbilder als Verstellung oder Entstellung, zur bedeutsamen psychischen Wirklichkeit werden kann. […] Vielleicht ist unser Problem heute weniger der Mangel an Realität in einer als simulacrum erfahrenen Welt. Vielmehr ist es die Realität der Kämpfe, die die Anschauungsmetaphern untereinander um die Deutungsherrschaft in der Arena der Öffentlichkeit austragen.““ (E. Bronfen, Über Wahrheit und Lüge des Kinos, Die Zeit, 2000)